Erich von Siebenthal, Nationalrat und Präsident BWB findet klare Worte zur Waldgesetzrevision.

Keine Waldgesetzrevision ist auch eine Option (Editorial Zeitschrift Berner Wald 01-2016)

 

Erich von Siebenthal, Präsident BWB

Sehr geschätzte Leserin
Sehr geschätzter Leser

 

Seit über acht Jahren darf ich in Ihrem Auftrag im nationalen Parlament Einfluss auf die Rahmenbedingungen für den Wald nehmen. Zahlreiche Vorstösse brauchen viel – sehr viel Zeit, bis sie behandelt und ggf. einmal umgesetzt werden. Auf der anderen Seite steht die Verwaltung, die im Kreieren von neuen Vorgaben und Bewirtschaftungsbeschränkungen deutlich effizienter ist. Nachdem vor rund zehn Jahren die letzte Waldgesetzrevision im Parlament gescheitert ist, steht die nächste Revision an. Themen, die für die Waldbesitzer und für den Wald auf der Fläche echte Mehrwerte bringen würden, waren im ursprünglichen Entwurf des Bundesrates und der Verwaltung nicht zu finden. Hingegen sind etliche Aufträge, die sich Bundesrat und Verwaltung abholen wollen, im vorliegenden Entwurf aufgeführt. Demgegenüber steht die sehr angespannte Lage der Waldbesitzer mit ruinös tiefen Holzpreisen und ungenügenden Rahmenbedingungen, die eine kostendeckende Bewirtschaftung weitgehend verunmöglichen. Für diese Probleme sieht das vorgelegte Waldgesetz keine Vorschläge vor. Gelegentlich erinnern mich die Gesetzesentwürfe an einen Selbstbedienungsladen, dessen Rechnung der Steuerzahler und häufig auch der Waldbesitzer bezahlen soll. In der Zwischenzeit sind auf Intervention verschiedener «Waldparlamentarier» mehrere Kernanliegen in die Vorlage hineingelangt. Sie sind – wie nicht anders zu erwarten – umstritten. Dabei geht es vor allem um:
• Die Verwendung von Schweizer Holz in Bauten mit öffentlicher Finanzierung.
• Die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Erschliessungen ausserhalb des Schutzwaldes.

In der Waldpolitik 2020 und der Energiestrategie 2050 sagt der Bundesrat klar – und das ist erfreulich – er wolle den Schweizer Wald vermehrt nutzen. Aber was geschieht nun in dieser Waldgesetzrevision? Das Schauspiel, das sich hinter den Kulissen abspielt ist, bedenklich. Von einer Gewaltenteilung kann nicht gesprochen werden. Die Art wie der Bundesrat inhaltlich auf die Kammern Einfluss nehmen will wirft Fragen auf. Mein Eindruck, dass eine eigenwirtschaftliche Waldwirtschaft nur als Lippenbekenntnis auf dem Papier abgedruckt wird, verstärkt sich von Session zu Session. Dies ist aber auch nicht erstaunlich. Die Antwort des Bundesrates auf meine Interpellation 15.3667 zu Interessenbindungs- und Personalfragen im BAFU zeigt ein deutliches Bild:
Im Jahr 2006 beschäftigte das BAFU 436 Mitarbeitende. Davon hatten 324 einen höheren Abschluss (Universität, Fachhochschule, ETH, höhere Fachschule). Dies entsprach 74.3 % der Mitarbeitenden. Im Jahr 2015 beschäftigt das BAFU 587 Angestellte, wovon 489 einen höheren Abschluss haben. Der Anteil Angestellter mit höherem Abschluss ist somit auf 83.3 % angestiegen. Der Personalbestand hat um rund 20 % zugenommen. Dies entspricht 1¼ zusätzlicher Vollzeitstelle pro Monat während den letzten 10 Jahren.

Es erstaunt unter diesem Aspekt nicht, dass der Bundesrat und die Verwaltung bei jedem Gesetzesentwurf, den sie für das Parlament vorbereitet, sich mehr Kompetenzen zu holen versuchen.
Interessant ist, dass nicht transparent gespielt wird. So habe ich beispielsweise in der letzten Session die zuständige Bundesrätin gefragt, ob durch den
Artikel 21a (Arbeitssicherheit) zusätzliche Personalressourcen nötig würden. Sie hat dies verneint. Im Waldverordnungsentwurf schlägt aber der Bundesrat vor, dass für die Umsetzung eben dieses Artikels 37 «Arbeitssicherheit» eine eigene Verordnung erstellt werden soll. Entweder hat das BAFU heute unbeschäftigte Kapazitäten, auf die verzichtet werden könnte, oder meine Frage wurde nicht korrekt beantwortet. Ebenso stelle ich fest, dass Interpellationen unvollständig und unsorgfältig beantwortet werden. So wurde mein Vorstoss, in dem ich den Bundesrat aufforderte aufzuzeigen, welche volkswirtschaftlichen Kosten durch die Schliessung von Verladebahnhöfen entstehen, in einem Bericht beantwortet. Die zentralen Fragen bleiben offen. Die dort geleistete Arbeit hätte eingespart werden können. Aus meiner Sicht bedaure ich es, wenn konkreten Fragen, ausgewichen wird. Dies weil sie im vorliegenden Fall im Interesse des Waldes und der Waldpolitik gestellt worden sind. Sollten im vorliegenden Waldgesetz nicht die minimalen obigen Anliegen der Waldbesitzer aufgenommen werden, so muss der Verzicht auf eine Waldgesetzrevision eine reale Option bleiben. Als Unternehmer sind wir uns gewohnt, dass wir für verschiedene Geschäftsbereiche eine Kostenrechnung führen. Sie beantwortet die Frage, welcher Bereich aus den erwirtschafteten Erträgen des Bereichs finanziert werden kann. Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, wenn wir im Wald- und Umweltbereich wieder darüber nachdenken würden, wie viele Verwaltungsstellen aus den Steuereinnahmen der Wald- und Holzwirtschaft finanziert werden können und der Strich spätestens bei 100 % der Einnahmen gezogen würde. Einige der Verwaltungsbegehrlichkeiten könnten damit eventuell wieder in die Realität der Waldbewirtschaftung zurückgeführt werden. Etliche, insbesondere im Waldbereich arbeitende Mitarbeitende, leisten auch aus Waldbesitzersicht ausgezeichnete Arbeit. Für diese Arbeit bedanke ich mich. In Summe wirft der Gesamtauftritt von Verwaltung und Bundesrat mehr als nur Fragen auf. Den Waldbesitzern danke ich, dass sie weiterhin nach ihren Möglichkeiten ihren Wald pflegen. Ich bin überzeugt, dass unser Wald als Rohstofflieferant wieder an Bedeutung gewinnen wird.