Die Verjüngung des Waldes steht mehr denn je unter Druck. Die Entwicklung ist besorgniserregend. Vier Verbände von Waldfachleuten schlagen Alarm, denn es muss unverzüglich gehandelt werden: Es geht um die Zukunft unserer Wälder.
Seit Jahrzehnten wird die Verjüngung des Waldes in vielen Regionen der Schweiz durch Schalenwild (Rehe, Rothirsche, Gämsen) erschwert. Problematik und Lösungswege zu diesem Thema haben die Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe (GWG), der Schweizerische Forstverein (SFV), der Verband der Berner Waldbesitzer (BWB) und WaldSchweiz, der Verband der Waldeigentümer, in einem gemeinsamen Positionspapier erarbeitet.
Um die Sicherstellung der Ökosystemleistungen zu gewährleisten, muss der Wald konstant verjüngt werden. Doch sowohl im Gebirgswald als auch in Tieflagen nehmen Verbiss, Fegen und Schälen der jungen Bäume zu, was die Verjüngung erschwert. Der Wald muss nicht nur dem Wilddruck, sondern zunehmend auch dem Klimawandel trotzen können, was in vielen Regionen nach Baumartenwechsel sowie einer grösseren Baumartenvielfalt verlangt. Problematisch ist dabei, dass die Klimaveränderungen rascher ablaufen, als der Wald sich den neuen Bedingungen anpassen kann. So führen Stürme, Trockenheit und die Ausbreitung des Borkenkäfers zu noch grösseren Flächen, die verjüngt werden müssen: Ein Teufelskreis beginnt.
Massnahmen zur Eindämmung der negativen Einflüsse des Schalenwilds auf die Verjüngung des Waldes sind dringend nötig. In manchen Gebieten hilft nur eine Reduzierung der Schalenwildbestände auf ein waldverträgliches Mass. So rücken die Jägerinnen und Jäger in den Fokus. Sie erfüllen in ihrer Freizeit einen öffentlichen Auftrag. Die Jagd ist eines der wichtigsten Elemente, um die Verjüngung des Waldes zu gewährleisten. Sie muss effizient ausgeübt, bei Bedarf intensiviert und an die örtlichen Bedingungen angepasst werden können.
Gemeinsame Herausforderung für Bund und Kantone
Von den Kantonen erwarten die Autoren des Positionspapiers, dass sie den gesetzlichen Anforderungen an eine klimabedingte Waldverjüngung nachkommen, die heute leider noch nicht ausreichend erfüllt sind. Der Bund soll konsequent die Umsetzung der Gesetzgebung einfordern und die Kantone bei der Problemlösung unterstützen, etwa durch die Sicherstellung eines wirkungsvollen Einsatzes von Geldmitteln oder über die Aktualisierung waldbaulicher und jagdlicher Vollzugshilfen.
Konkrete Lösungen sind beispielsweise in der Anpassung und Überprüfung der Jagdplanung und -praxis möglich, sowie in der Aufwertung und Erweiterung der Wildlebensräume ausserhalb des Waldes. Ein weiterer Punkt sind Störungseinflüsse unserer Freizeitgesellschaft, die im Habitat der Wildtiere zunehmend auch nachts für Unruhe sorgt. Um diese einzudämmen, können Lenkungsmassnahmen, Wildruhezonen oder Wildschutzgebiete helfen.
Zusammen mit entsprechenden Massnahmen bei der Waldbewirtschaftung können das Verhalten und die räumliche Verteilung des Schalenwilds verändert werden, oft mit einem positiven Einfluss auf die Waldverjüngung – und ohne zusätzliche finanzielle Investitionen in waldbauliche Schutzmassnahmen für Jungbäume.
Schliesslich müssen die positiven Auswirkungen, welche Grossraubtiere wie Luchs und Wolf auf den Wildtierbestand und damit auf die Waldverjüngung haben, beim Raubtiermanagement berücksichtigt werden. Auch wenn sie allein die Verjüngungsproblematik nicht lösen, beeinflussen Grossraubtiere die räumliche Verteilung, das Verhalten und den Bestand von Wildtierpopulationen und begünstigen damit das Aufkommen der jungen Bäumchen.
Wünschenswert ist zunächst die Entwicklung eines einheitlichen Controllingsystems mit klaren Zielvorgaben, um eine schweizweite Vergleichbarkeit von Zustand und Veränderungen der Waldverjüngung, des Wildverbisses und der Schalenwildpopulationen zu ermöglichen.
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