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Um die beiden freien Sitze im Berner Regierungsrat kämpfen am Sonntag, 28. Februar 2016 insgesamt sechs Kandidaten. Davon stellten sich fünf Regierungskandidaten bei den Berner Waldbesitzern vor. Die Kandidaten standen dem Präsidenten Erich von Siebenthal, dem Geschäftsführer Stefan Flückiger sowie dem Publikum Rede und Antwort zu den brennenden forstlichen Fragen.
Fragen an die Kandidaten
Die Schweizer Wald- und Holzwirtschaft lebt seit dem 15. Januar 2016 mit 10 - 20% tieferen Rundholzpreisen. Das angrenzende EURO-Ausland gewann über Nacht um ebenso viel Wettbewerbsstärke. Die Wald- und Holzbranche in der Schweiz beschäftigt rund 100'000 Mitarbeitende mit nachgelagerten Betrieben. Viele mittelständische Betriebe haben das vergangene Jahr als Test genutzt um zu prüfen, ob sie ihre Marktanteile halten können. Die Zukunftsaussichten sind schwierig und verschiedene Betriebe denken laut über Schliessungen nach.
Wer von Ihnen besitzt Wald und was ist Ihre Vision bezüglich Wald- und Holzwirtschaft im Kanton Bern als Regierungsrat?
Ammann:
Ich besitze keinen Wald. Der Druck auf die Holzwirtschaft ist enorm. Die Leistungen, die der Wald in seiner Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktion erbringt, sind bemerkenswert. Hier bedarf es mehr Gespräche mit den Waldbesitzern. Holz muss als Baustoff und als Brennstoff gefördert werden. Es muss mehr Bewusstsein für Holz geschaffen werden, auch in Bezug auf den Preis.
Bernasconi:
Ich habe eine kleine Parzelle Wald. Die Förderung von Holzheizungen ist ein zentrales Thema. Holz muss vermehrt auf direktem resp. kurzem Weg abgesetzt werden.
Gsteiger:
Ich habe keinen Wald. Die Biodiversität wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Es braucht einen liberalen Markt. Holz als Baustoff muss gefördert werden.
Schnegg:
Ich bin kein Waldbesitzer. Ich schliesse mich meinem Vorredner an. Es bedarf mehr Innovation, neue Märkte und mehr Export. Holz muss gefördert werden, v. a. im Baugeschäft und als Heizungssytem.
Guggisberg:
Ich besitze keinen Wald. Dem Wald im Kanton Bern kommt eine grosse Bedeutung zu, da rund ein Drittel der Kantonsfläche bewaldet ist. Der Wald erfüllt verschiedene Funktionen. In einem liberalen Markt ist die Schweizer Holzwirtschaft teilweise nicht konkurrenzfähig. Alle Funktionen leiden letztlich darunter. Ich halte an der Entwicklungsstrategie Waldbewirtschaftung des KAWA zum Berner Wald fest.
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Äusserst selten wird bei einem öffentlichen Bauprojekt Schweizer Holz eingesetzt. Der öffentlichen Hand wird hier als Vorbild besondere Beachtung geschenkt.
Setzen Sie sich für das Bauen mit Schweizer Holz ein?
Ammann:
Ja, aber innerhalb des Vergabespieleraumes.
Bernasconi:
Ja.
Gsteiger:
In einem freien Markt ist es nicht möglich.
Schnegg:
Es ist leider nicht immer möglich. Als Präsident einer Immobilien-Genossenschaft haben wir einige Mehrfamilienhäuser mit Holz gebaut.
Guggisberg:
Ganz klar, aber es braucht mehr Zusammenarbeit.
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Die Waldfläche in der Schweiz ist in den letzten Jahren zwar gestiegen, aber auch die Bevölkerung hat stark zugenommen. Landwirtschaftsland soll stärker geschützt werden und gleichzeitig der Waldschutz gelockert werden. Verschiedene Politiker fordern, dass der Wald im Mittelland für
SiedIungsareal gerodet werden soll. Der Wald gerät zunehmend unter Druck.
Was bedeutet Wald für Sie? Soll Wald im Mittelland für Siedlungsareal gerodet werden?
Ammann:
Es ist erforderlich, die verschiedenen Interessen abzuwägen und die Bedürfnisse der Gemeinden zu berücksichtigen.
Bernasconi:
Es sind immer die gleichen Probleme. Man muss stärker zusammenarbeiten, damit nicht nur einige wenige profitieren.
Gsteiger:
Rund um den Wald gibt es verschiedene Interessensgruppen. Die Bevölkerung profitiert sehr stark vom Wald. Ich sehe hier ein grosses Problem.
Schnegg:
Es ist schade, dass wir mit unseren vielen Gesetzen alles Regulieren wollen. Es gibt Regionen wo man Wald schützen muss, aber auch Regionen wo man Wald durchaus umwandeln kann. Dazu ein Beispiel: Wenn Wald nicht bewirtschaftet wird, die Landwirtschaft es aber brauchen kann, ist ein Umwandlung in Erwägung zu ziehen.
Guggisberg:
Die verschiedenen Waldfunktionen sind alle wichtig. Es ist wichtig eine gesunde Balance zu finden. Ich bin aber gegen eine Waldstadt.
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Die jüngsten Einigungen beim Klimagipfel in Paris fordern unter anderem eine Kompensation von co2 im Inland.
Wie stellen Sie sich zu dem Abkommen und den Klimazielen?
Ammann:
Ich bin für das Abkommen. Ein solches Klima-Abkommen ist eine grosse Herausforderung. Die eigentlichen Verursacher von Emissionen sind meist nicht dabei. Die Schweiz kann sich eine Vorbildfunktion leisten. Der Wald muss stärker eingebunden werden.
Bernasconi:
Ich sage ja zum Abkommen. Der Klimawandel ist äusserst problematisch. Die Nutzung von Holz hilft CO2 zu senken. Hier muss mehr investiert werden.
Gsteiger:
Ich bin für das Abkommen. Hierbei handelt es sich um eine weltweite Vision. Hier haben wir lokales Problem zu lösen. Holz wird an Bedeutung gewinnen. Neue Technologien müssen gefördert werden.
Schnegg:
Ich bin gegen ein solches Abkommen. Dem Klimawandel muss man entgegenwirken, aber nicht um jeden Preis und nicht auf dem schnellstmöglichen Weg. Es müssen auch die Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigt werden.
Guggisberg:
Die globalen Probleme in der Schweiz zu lösen ist unrealistisch. Ein solches Abkommen schadet unserer Konkurrenzfähigkeit. Zudem darf es kein Zwang sein, sondern man müsste Anreize schaffen, wie z.B. Steuererleichterungen.
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Der Anteil der Waldflächen, die über 50 Jahren nicht bewirtschaftet werden, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Der Wald leistet an dieser Stelle auch ohne Steuergeldeinsatz einen enormen Beitrag zur Biodiversität. Verschiedene Strategien und Konzepte verlangen, dass im Wald mehr Verzicht auf Bewirtschaftung erfolgt und Reservate geschaffen werden.
Wie stehen Sie sich zu der Forderung nach mehr Reservate?
Guggisberg:
Es muss ein gesundes Verhältnis zwischen den verschiedenen Waldfunktionen herrschen. Die Waldbewirtschaftung ist die Grundlage dafür, dass der Wald diese Funktionen erfüllen kann.
Schnegg:
Ich bin kein Anhänger von Dogmas. Die Natur ist schlauer als wir annehmen und entwickelt sich auch ohne grösseres Zutun.
Gsteiger:
Ich bin kein Biodiversitätsexpert. Dennoch ist Biodiversität wichtig in Zukunft. Der Einbezug von Experten ist massgeblich.
Bernasconi:
Die Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzer und Naturschutz muss gestärkt werden.
Ammann:
Eine Demokratie repräsentiert Mehrheiten. Man muss die verschiedenen Interessen ernstnehmen und prüfen wo die Möglichkeiten des Machbaren liegen.
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Der Schweizer Wald hat einen Zuwachs von rund 10 Mio. Kubikmetern Holz pro Jahr. Die Schweizer Bevölkerung verbraucht 11 Mio. Kubikmeter Holz- und Holzwertstoffe pro Jahr. Genutzt werden im Schweizer Wald ca. 5 Mio. Der exportierte ökologische Fussabdruck beträgt 6 Mio. Kubikmeter pro Jahr - obwohl das meiste Holz im Inland erzeugt werden könnte. Dazu bräuchte es Erschliessungen.
Muss man die Erschliessung fördern und ist es Kantonsaufgabe?
Ammann:
Ja, es ist eine Kantonsaufgabe. Erschliessung ist teuer und teilweise unverhältnismässig.
Bernasconi:
Ja, es obliegt dem Kanton.
Gsteiger:
Ja, es handelt sich um eine Kantonsaufgabe.
Schnegg:
Ja, es ist eine Kantonsaufgabe.
Guggisberg:
Ja, es handelt sich um eine Kantonsaufgabe. Erschliessung ist Grundlage für eine funktionierende Waldbewirtschaftung.
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Vor rund 130 Jahren haben unsere Vorfahren das Beweiden von Wäldern verboten, um die natürliche
Waldverjüngung zu sichern. So ist es gelungen über 100 Jahre stabile und gute Wälder wachsen zu lassen. Das Beweiden ist bis heute verboten. Gleichzeitig steht fest, dass aufgrund der hohen Wilddichten und starker Störungen durch Erholungssuchende, die untragbaren Wildschäden im Wald von Jahr zu Jahr zunehmen.
Wie stellen Sie zur Verjüngungs-Problematik, die durch Wild verursacht ist?
Ammann:
Es ist eine wichtige Aufgabe die nachhaltige Waldpflege zu sichern, aber ich bin kein Jagdexperte.
Bernasconi:
Wir haben zu strenge Regeln. Der Wildtierschutz ist zu stark.
Gsteiger:
Das Wildtiermanagement muss seriös wahrgenommen werden.
Schnegg:
Früher waren die Lösungen einfacher. Der Wildtierschutz geht zu weit.
Guggisberg:
Man muss die unterschiedlichen Wildräume betrachten und die Abschusszahlen diskutieren. Es braucht eine engere Zusammenarbeit mit den Jägern.
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1913 wurde mit der Einführung des Zivilgesetzbuchartikels 699 das Betretungsrecht im ortsüblichen Umfang festgeschrieben. Damals zählte die Schweiz 4 Mio. Einwohner. Das Betretungsrecht war überlebensnotwendig um alltägliche Grundbedürfnisse zu decken. Heute wird das Betretungsrecht von 9 Mio. Einwohnern gefordert, die dies vor allem für Freizeitnutzungen brauchen. Dabei beanspruchen viele Nutzer den Wald über den rechtlichen Rahmen hinaus. Die Kosten trögt meistens der Waldeigentümer.
Welchen Stellenwert hat Grundeigentum für Sie? Wie stehen Sie zu illegalen Nutzungen im Wald?
Ammann:
Es ist eine Frage von Anstand und Respekt vor dem Eigentum anderer. Es handelt sich um eine Verbundaufgabe.
Bernasconi:
Es ist oft schwierig Gesetze umzusetzen. Gesetze die sich nicht umsetzten lassen machen keinen Sinn.
Gsteiger:
Teilweise ist es schwierig, gar unmöglich illegale Nutzungen zu verhindern, z.B. Skidoos. Es braucht mehr Prävention.
Schnegg:
Die Verfahren sind eindeutig zu lang.
Guggisberg:
Die Verfahrensdauer bei illegaler Nutzung ist zu lang. Das Recht auf Erholung darf nicht zu weitgehen.
Schluss
Es war ein gelungener Anlass um die künftigen Regierungsräte persönlich kennenlernen zu können. Die Berner Waldbesitzer anerkennen, dass sich die Regierungsratskandidaten zu einem Podiumsgespräch Zeit genommen haben. Die Kandidaten waren gut vorbereitet und haben sich dementsprechend achtbar präsentiert. Die Regierungsräte können das zukünftige Geschehen rund um die Wald- und Holzwirtschaft massgeblich beeinflussen. Deshalb war es umso wichtiger, die Gelegenheit zu nutzen und die Anliegen der Berner Waldbesitzer direkt vorzutragen. Das Gespräch wurde von uns sinngemäß wiedergegeben. Konkrete Formulierungen können vom tatsächlichen Gesprächsverlauf abweichen. Wir haben dennoch versucht die Kerngedanken im Sinne der Urheber zu vermitteln.
Die Kandidaten im Überblick (v.o.l.)
Ammann Christoph, 1969, Rektor des Gymnasiums Interlaken, Meiringen, SP
Schwerpunkt: Bildung, Raumplanung und Energie
Bernasconi Roberto, 1964, Schulleiter der Grundschule Valbirse, Malleray, SP
Schwerpunkt: Verteidigung frankophoner Sitz und Finanzen
Gsteiger Patrick, 1967, Energieberater, Grossrat, Eschert, EVP
Schwerpunkt: Politik der Mitte mit Bildung, Gesundheit und Soziales
Schnegg Pierre Alain, 1962, Unternehmer, Champoz, SVP
Schwerpunkt: Gesundheit, Wirtschaft und Finanzen
Guggisberg Lars, 1977, Fürsprecher, Kirchlindach, SVP
Schwerpunkt: Wirtschaft, Sicherheit und Gesundheit